Grundgesetz
Artikel 1, Abs. 1
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
Artikel 2, Abs. 1
Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Artikel 6, Abs. 1
Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.
Artikel 6, Abs. 2
Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
§ 1666 Abs. 1
Gefährdung des Kindeswohls
Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes durch missbräuchliche Ausübung der elterlichen Sorge, durch Vernachlässigung des Kindes, durch unverschuldetes Versagen der Eltern oder durch das Verhalten eines Dritten gefährdet, so hat das Familiengericht, wenn die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage sind, die Gefahr abzuwenden, die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Das Gericht kann auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
§ 1631 Abs. 2
Verbot entwürdigender Maßnahmen
Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.
Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII)
§ 8a
Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung
(1) Werden dem Jugendamt gewichtige Anhaltspunkte für die Gefährdung des Wohls eines Kindes oder Jugendlichen bekannt, so hat es das Gefährdungsrisiko im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte abzuschätzen. Dabei sind die Personensorgeberechtigten sowie das Kind oder der Jugendliche einzubeziehen, soweit hierdurch der wirksame Schutz des Kindes oder des Jugendlichen nicht in Frage gestellt wird. Hält das Jugendamt zur Abwendung der Gefährdung die Gewährung von Hilfen für geeignet und notwendig, so hat es diese den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten anzubieten.
(2) In Vereinbarungen mit den Trägern von Einrichtungen und Diensten, die Leistungen nach diesem Buch erbringen, ist sicherzustellen, dass deren Fachkräfte den Schutzauftrag nach Absatz 1 in entsprechender Weise wahrnehmen und bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos eine insoweit erfahrene Fachkraft hinzuziehen. Insbesondere ist die Verpflichtung aufzunehmen, dass die Fachkräfte bei den Personensorgeberechtigten oder den Erziehungsberechtigten auf die Inanspruchnahme von Hilfen hinweisen, wenn sie diese für erforderlich halten, und das Jugendamt informieren, falls die angenommenen Hilfen nicht ausreichend erscheinen, um die Gefährdung abzuwenden.
(3) Hält das Jugendamt das Tätigwerden des Familiengerichts für erforderlich, so hat es das Gericht anzurufen; dies gilt auch, wenn die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten nicht bereit oder in der Lage sind, bei der Abschätzung des Gefährdungsrisikos mitzuwirken. Besteht eine dringende Gefahr oder kann die Entscheidung des Gerichts nicht abgewartet werden, so ist das Jugendamt verpflichtet, das Kind oder den Jugendlichen in Obhut zu nehmen.
(4) Soweit zur Abwendung der Gefährdung das Tätigwerden anderer Leistungsträger, der Einrichtungen der Gesundheitshilfe oder der Polizei notwendig ist, hat das Jugendamt auf die Inanspruchnahme durch die Personensorgeberechtigten oder die Erziehungsberechtigten hinzuwirken. Ist ein sofortiges Tätigwerden erforderlich und wirken die Personensorgeberechtigten nicht mit, so schaltet das Jugendamt die anderen zur Abwendung zuständigen Stellen selbst ein.
§ 16
Allgemeine Förderung der Erziehung in der Familie
(1) Müttern, Vätern, anderen Erziehungsberechtigten und jungen Menschen sollen Leistungen der allgemeinen Förderung der Erziehung in der Familie angeboten werden. Sie sollen dazu beitragen, dass Mütter, Väter und andere Erziehungsberechtigte ihre Erziehungsverantwortung besser wahrnehmen können. Sie sollen auch Wege aufzeigen, wie Konfliktsituationen in der Familie gewaltfrei gelöst werden können.
(2) Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie sind insbesondere
1. Angebote der Familienbildung, die auf Bedürfnisse und Interessen sowie auf Erfahrungen von Familien in unterschiedlichen Lebenslagen und Erziehungssituationen eingehen, die Familie zur Mitarbeit in Erziehungseinrichtungen und in Formen der Selbst- und Nachbarschaftshilfe besser befähigen sowie junge Menschen auf Ehe, Partnerschaft und das Zusammenleben mit Kindern vorbereiten,
2. Angebote der Beratung in allgemeinen Fragen der Erziehung und Entwicklung junger Menschen,
3. Angebote der Familienfreizeit und der Familienerholung, insbesondere in belastenden Familiensituationen, die bei Bedarf die erzieherische Betreuung der Kinder einschließen.
(3) Das Nähere über Inhalt und Umfang der Aufgaben regelt das Landesrecht.
Strafgesetzbuch (StGB)
§ 13
Begehen durch Unterlassen
Wer es unterlässt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, dass der Erfolg nicht eintritt, und das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.
§ 171
Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht
Wer seine Fürsorge- oder Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr bringt, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, einen kriminellen Lebenswandel zu führen oder der Prostitution nachzugehen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 176
Sexueller Missbrauch von Kindern
(1) Wer sexuelle Handlungen an einer Person unter vierzehn Jahren (Kind) vornimmt oder an sich von dem Kind vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Ebenso wird bestraft, wer ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an einem Dritten vornimmt oder von einem Dritten an sich vornehmen lässt.
(3) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr zu erkennen.
(4) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer
- sexuelle Handlungen vor einem Kind vornimmt,
- ein Kind dazu bestimmt, dass es sexuelle Handlungen an sich vornimmt,
- auf ein Kind durch Schriften (§ 11 Abs. 3) einwirkt, um es zu sexuellen Handlungen zu bringen, die es an oder vor dem Täter oder einem Dritten vornehmen oder von einem Täter oder einem Dritten an sich vornehmen lassen soll, oder
- auf ein Kind durch Vorzeigen pornografischer Abbildungen oder Darstellungen, durch Abspielen von Tonträgern pornografischen Inhalts oder durch entsprechende Reden einwirkt.
(5) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer ein Kind für eine Tat nach den Absätzen 1 bis 4 anbietet oder nachzuweisen verspricht oder wer sich mit einem anderen zu einer solchen Tat verabredet.
(6) Der Versuch ist strafbar; dies gilt nicht für Taten nach Absatz 4 Nr. 3 und 4 und Absatz 5.
§ 176 a
Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern
(1) Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft, wenn der Täter innerhalb der letzten fünf Jahre wegen einer solchen Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist.
(2) Der sexuelle Missbrauch von Kindern wird in den Fällen des § 176 Abs. 1 und 2 mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren bestraft, wenn
- eine Person über achtzehn Jahren mit dem Kind den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an ihm vornimmt oder sich von ihm vornehmen lässt, die mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind,
- die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird oder
- der Täter das Kind durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung oder einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.
(3) Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3, 4 Nr. 1 oder Nr. 2 oder des § 176 Abs. 6 als Täter oder anderer Beteiligter in der Absicht handelt, die Tat zum Gegenstand einer pornografischen Schrift (§ 11 Abs. 3) zu machen, die nach § 184b Abs. 1 bis 3 verbreitet werden soll.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 2 auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.
(5) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer das Kind in den Fällen des § 176 Abs. 1 bis 3 bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(6) In die in Absatz 1 bezeichnete Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die im Ausland abgeurteilt worden ist, steht in den Fällen des Absatzes 1 einer im Inland abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine solche nach § 176 Abs. 1 oder 2 wäre.
§ 177
Sexuelle Nötigung; Vergewaltigung
(1) Wer eine andere Person
1. mit Gewalt,
2. durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben oder
3. unter Ausnutzung einer Lage, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist,
nötigt, sexuelle Handlungen des Täters oder eines Dritten an sich zu dulden oder an dem Täter oder einem Dritten vorzunehmen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn
- der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder an sich von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere, wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
- die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
- eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
- sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
- das Opfer durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter
1. bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2. das Opfer
a) bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b) durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
§ 225
Misshandlung von Schutzbefohlenen
(1) Wer eine Person unter achtzehn Jahren oder eine wegen Gebrechlichkeit oder Krankheit wehrlose Person, die
1. seiner Fürsorge oder Obhut untersteht,
2. seinem Hausstand angehört,
3. von dem Fürsorgepflichtigen seiner Gewalt überlassen worden oder
4. ihm im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist,
quält, roh misshandelt, oder wer durch böswillige Vernachlässigung seiner Pflicht, für sie zu sorgen, nicht nachkommt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter die schutzbefohlene Person durch die Tat in die Gefahr
5. des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung oder
6. einer erheblichen Schädigung der körperlichen oder seelischen Entwicklung bringt.
Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG M-V )
§ 7
(1) Die Polizei hat Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung festzustellen und aus gegebenem Anlass zu ermitteln.
(3) Die Polizei hat im Einzelfall zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung selbständig diejenigen Maßnahmen zu treffen, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen für unaufschiebbar hält.
(4) Die Polizei hat im Rahmen der Gefahrenabwehr auch Straftaten zu verhüten und für die Verfolgung künftiger Straftaten vorzusorgen ( vorbeugende Bekämpfung von Straftaten ) sowie andere Vorbereitungen zu treffen, um künftige Gefahren abwehren zu können.
Strafprozessordnung (StPO)
§ 163
(1) Die Behörden und Beamten des Polizeidienstes haben Straftaten zu erforschen und alle keinen Aufschub gestattenden Anordnungen zu treffen, um die Verdunklung der Sache zu verhüten. Zu diesem Zweck sind sie befugt, alle Behörden um Auskunft zu ersuchen, bei Gefahr im Verzug auch, die Auskunft zu verlangen, sowie Ermittlungen jeder Art vorzunehmen, soweit nicht andere gesetzliche Vorschriften ihre Befugnisse besonders regeln
UN-Kinderrechtskonvention
Artikel 19
(1) Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs-, Sozial- und Bildungsmaßnahmen, um das Kind vor jeder Form körperlicher oder geistiger Gewaltanwendung, Schadenszufügung oder Misshandlung, vor Verwahrlosung oder Vernachlässigung, vor schlechter Behandlung oder Ausbeutung einschließlich des sexuellen Missbrauchs zu schützen, solange es sich in der Obhut der Eltern oder eines Elternteils, eines Vormunds oder anderen gesetzlichen Vertreters oder einer anderen Person befindet, die das Kind betreut.
(2) Diese Schutzmaßnahmen sollen je nach den Gegebenheiten wirksame Verfahren zur Aufstellung von Sozialprogrammen enthalten, die dem Kind und denen, die es betreuen, die erforderliche Unterstützung gewähren und andere Formen der Vorbeugung vorsehen sowie Maßnahmen zur Aufdeckung, Meldung, Weiterverweisung, Untersuchung, Behandlung und Nachbetreuung in den in Absatz 1 beschriebenen Fällen schlechter Behandlung von Kindern und gegebenenfalls für das Einschreiten der Gerichte.
Gesetz über den öffentlichen Gesundheitsdienst im Land Mecklenburg-Vorpommern
§ 15
Kinder- und Jugendärztlicher Dienst
(1) Die Gesundheitsämter bieten Säuglings-, Kinder- und Jugendberatung ergänzend zu vorhandenen Einrichtungen an. Besonders gefährdete Säuglinge, Kinder und Jugendliche sollen aufgesucht werden, um ihnen oder ihren Personensorgeberechtigten Beratung anzubieten.
(2) Die Gesundheitsämter führen bei Kindern vor der Einschulung sowie während der Schulzeit regelmäßig Untersuchungen mit dem Ziel durch, Krankheiten und Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und den Gesundheits- und Entwicklungsstand der Kinder festzustellen, soweit dies für schulische Entscheidungen bedeutsam ist. Die Kinder haben an den notwendigen Untersuchungen teilzunehmen und an ihnen mitzuwirken; ihre Personensorgeberechtigten haben die Untersuchungen zu ermöglichen.
(3) Das Sozialministerium wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem für Bildung zuständigen Ministerium durch Rechtsverordnung Art, Umfang und Zeitpunkte der Untersuchungen nach Absatz 2 sowie die Art der statistischen Auswertung festzulegen.
(4) Werden Krankheiten oder Fehlentwicklungen festgestellt, vermitteln die Gesundheitsämter in Zusammenarbeit mit den Leistungs- und Kostenträgern geeignete Hilfen einschließlich Rehabilitations- und Kurmaßnahmen.
(5) Die Gesundheitsämter bieten die öffentlich empfohlenen Impfungen in Kindertageseinrichtungen und Schulen an.
(6) Die Gesundheitsämter beraten Personen, die beruflich Säuglinge, Kinder und Jugendliche betreuen oder erziehen, in gesundheitlichen Fragen.
Bei der Kindesmisshandlung geschieht die Schädigung des Kindes nicht zufällig. Meist wird eine verantwortliche erwachsene Person wiederholt gegen ein Kind gewalttätig. Gewalt wird fast immer in der Familie oder in anderen Zusammenlebenssystemen ausgeübt. Häufig ist die Gewaltanwendung der Erwachsenen ein Ausdruck eigener Hilflosigkeit und Überforderung.
Körperliche Gewalt
Erwachsene üben körperliche Gewalt an Kindern in vielen verschiedenen Formen aus. Verbreitet sind Prügel, Schläge mit Gegenständen, Kneifen, Treten und Schütteln des Kindes. Daneben werden Stichverletzungen, Vergiftungen, Würgen und Ersticken, sowie thermische Schäden (Verbrennen, Verbrühen, Unterkühlen) beobachtet. Das Kind kann durch diese Verletzungen bleibende körperliche, geistige und seelische Schäden davontragen oder in Extremfällen daran sterben.
Dabei ist durch eine Änderung des § 1631 Bürgerliches Gesetzbuches (BGB) seit dem Jahr 2000 das Recht auf gewaltfreie Erziehung festgeschrieben worden. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind verboten.
Seelische Gewalt
Seelische oder psychische Gewalt sind "Haltungen, Gefühle und Aktionen, die zu einer schweren Beeinträchtigung einer vertrauensvollen Beziehung zwischen Bezugsperson und Kind führen und dessen geistig-seelische Entwicklung zu einer autonomen und lebensbejahenden Persönlichkeit behindern." (Eggers, 1994). Die Schäden für die Kinder sind oft folgenschwer und daher mit denen der körperlichen Misshandlung vergleichbar.
Seelische Gewalt liegt z.B. dann vor, wenn dem Kind ein Gefühl der Ablehnung vermittelt wird. Für das Kind wird es besonders schwierig, ein stabiles Selbstbewusstsein aufzubauen. Diese Ablehnung wird ausgedrückt, indem das Kind gedemütigt und herabgesetzt, durch unangemessene Schulleistungen oder sportliche und künstlerische Anforderungen überfordert, oder durch Liebesentzug, Zurücksetzung, Gleichgültigkeit und Ignorieren bestraft wird.
Überzogene Bestrafungen sind Gewaltakte
Schwerwiegend sind ebenfalls Akte, die dem Kind Angst machen: Einsperren in einen dunklen Raum, Alleinlassen, Isolation des Kindes, Drohungen, Anbinden. Vielfach beschimpfen Eltern ihre Kinder in einem extrem überzogenen Maß oder brechen in Wutanfälle aus, die für das Kind nicht nachvollziehbar sind. Auch überbehütendes und überfürsorgliches Verhalten kann zu seelischer Gewalt werden, wenn es Ohnmacht, Wertlosigkeit und Abhängigkeit vermittelt.
Kinder werden in partnerschaftlichen Konflikten missbraucht
Mädchen und Jungen werden auch für die Bedürfnisse der Eltern missbraucht, indem sie gezwungen werden, sich elterliche Streitereien anzuhören, oder indem sie in Beziehungskonflikten instrumentalisiert werden.
Das Miterleben von Gewalt zwischen den Eltern kann Mädchen und Jungen Schaden zufügen. Zudem ist das Risiko, selber Opfer von Gewalt zu werden, stark erhöht, wenn es zu Gewalt in der Partnerschaft kommt. Kinder sind häufig anwesend, wenn der Vater die Mutter schlägt oder bedroht, sie werden Augen- und/oder Ohrenzeugen von Gewalt, sie sind z. T. auch direkt in die Gewalt gegen ihre Mutter verwickelt: Sie bekommen Schläge ab, weil sie von der Mutter auf den Arm gehalten werden, sie werden als "Geiseln" genommen, um (oftmals) die Mutter zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen, sie sind gezwungen, bei Gewalttaten zuzusehen oder werden aufgefordert, dabei mitzumachen.
Vernachlässigung
Die Vernachlässigung stellt eine Besonderheit sowohl der körperlichen als auch der seelischen Kindesmisshandlung dar. Eltern können Kindern Zuwendung, Liebe und Akzeptanz, Betreuung, Schutz und Förderung verweigern. Diese Verweigerung kann auch zu schweren physischen Beeinträchtigungen führen. Dazu gehören mangelnde Ernährung, unzureichende Pflege und gesundheitliche Fürsorge bis hin zur völligen Verwahrlosung.
Diese andauernde oder wiederholte Unterlassung fürsorglichen Handelns kann bewusst oder unbewusst, aufgrund unzureichender Einsicht oder unzureichenden Wissens erfolgen und sind Ausdruck einer stark beeinträchtigten Beziehung zwischen Eltern und Kind. Um gerade die langfristige Auswirkung von Vernachlässigung zu verdeutlichen, ist folgende Definition hilfreich:
"Die durch Vernachlässigung bewirkte chronische Unterversorgung des Kindes durch die nachhaltige Nichtberücksichtigung, Missachtung oder Versagung seiner Lebensbedürfnisse hemmt, beeinträchtigt oder schädigt seine körperliche, geistige und seelische Entwicklung und kann zu gravierenden bleibenden Schäden oder gar zum Tode des Kindes führen." (Schone, 1997).
Sexuelle Gewalt
Im Unterschied zu körperlicher oder seelischer Gewalt gegen Kinder, die häufig aus Hilflosigkeit und Überforderung ausgeübt werden, ist die sexuelle Gewalt an Kindern in der Regel ein planvolles, oft über Jahre andauerndes Verhalten, das sich in seiner Intensität allmählich steigert. Während Kindesmisshandlung von Männern und Frauen verübt wird, geht die sexuelle Gewalt überwiegend von Männern bzw. männlichen Jugendlichen aus.
Unter sexueller Gewalt versteht man Handlungen eines Erwachsenen bzw. eines älteren Jugendlichen an einem Kind, wobei der Erwachsene das Kind als Objekt zur Befriedigung seiner sexuellen Bedürfnisse benutzt (nicht nur wenn Kinder diese Handlungen nicht wollen und nicht imstande sind, die Situation zu kontrollieren. Auch wenn Kinder an sexuelle Handlungen mit einem Erwachsenen mitwirken, liegt ein Missbrauch vor). Die Erwachsenen bzw. Jugendlichen nutzen ihre Macht als Ältere oder ihre Autorität innerhalb eines spezifischen Abhängigkeitsverhältnisses (als Vater, Lehrer, Fußballtrainer o.ä.) aus, um ihre Interessen durchzusetzen. Sie erreichen dies, indem sie emotionalen Druck ausüben, die Loyalität eines Kindes ausnutzen, durch Bestechung mit Geschenken, Versprechungen oder Erpressungen aber auch mit dem Einsatz körperlicher Gewalt. Viele missbrauchende Erwachsene verpflichten oder erpressen die Kinder zum Schweigen über den Missbrauch.
Sexuelle Gewalt ist nicht nur körperlicher Missbrauch
Formen sexueller Gewalt sind das Berühren des Kindes an den Geschlechtsteilen, die Aufforderung, den Täter anzufassen, Zungenküsse, oraler, vaginaler und analer Geschlechtsverkehr, Penetration mit Fingern oder Gegenständen. Bekanntlich sind auch Handlungen ohne Körperkontakt wie Exhibitionismus, sexualisierte Sprache und Herstellung und Konsum von Darstellungen kinderpornographischen Inhalts unter Strafe gestellt. Diese Formen der sexuellen Gewalt werden zunehmend auch im Internet dargestellt.
Der Polizeilichen Kriminalstatistik über Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung aus dem Jahre 2006 ist zu entnehmen, dass 76% der Opfer des sexuellen Missbrauchs an Kindern in der Bundesrepublik Deutschland Mädchen sind. Bei Mädchen beträgt der Anteil von missbrauchenden Verwandten und Bekannten zusammen 50%. Der Anteil der Täter, zu denen eine flüchtige Vorbeziehung der Opfer bestand, beträgt 7% und zu denen keine Vorbeziehung bestand, 37%.
Bei den Jungen sieht es ähnlich aus: Der Anteil von missbrauchenden Verwandten und Bekannten beträgt zusammen 53%. Mädchen werden dabei um 4%-Punkte häufiger durch Verwandte missbraucht als Jungen, Jungen um 7%-Punkte häufiger durch Bekannte als Mädchen. Bei den Jungen beträgt der Anteil der Täter, zu denen eine flüchtige Vorbeziehung bestand, 8% und zu denen keine Vorbeziehung bestand, 30%.
Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung
Opfer-Tatverdächtigen-Beziehung |
Opfer |
|
insgesamt |
männlich |
weiblich |
Verwandtschaft |
2924 |
603 |
2321 |
Bekanntschaft |
4982 |
1423 |
3559 |
flüchtige Beziehung |
1166 |
304 |
862 |
keine Vorbeziehung |
5696 |
1149 |
4547 |
ungeklärt |
1212 |
322 |
890 |
Summe |
15980 |
3801 |
12179 |
(Polizeiliche Kriminalstatistik 2006; Bereich: Bundesrepublik Deutschland)
Sexuelle Gewalt ist meist nicht spontan
Ein wesentlicher Unterschied zwischen sexuellem Missbrauch und körperlicher Misshandlung ist, dass der Täter häufiger in überlegter Absicht handelt. Sexuelle Übergriffe sind eher geplant als körperliche Gewalttaten.
Das Kind steht zwischen Gewalt und Zuwendung
Einige spezifische Merkmale sind charakteristisch für den sexuellen Missbrauch, wenn er in der Familie stattfindet. Der Täter nutzt in besonderem Maße das Macht- und Abhängigkeitsverhältnis aus, das zwischen ihm und dem betroffenen Kind besteht. Dieses Machtgefälle und das Vertrauen des Kindes ermöglichen ihm, das Kind zu sexuellen Handlungen zu zwingen. Dabei wendet er meist keine körperliche Gewalt an. Das Kind wird mit Drohungen zur Geheimhaltung verpflichtet. Übergriffe können auch mit Zuwendungen verbunden sein. Auf diese Weise wird das Kind zunächst scheinbar aufgewertet. Die Widersprüche im Verhalten des Täters sind für das Kind nicht zu durchschauen. Das Kind sucht daher die Schuld für die sexuellen Übergriffe bei sich und schämt sich dafür.
Scham- und Angstgefühle verhindern ein Sich-Anvertrauen
Die Scham, von einer meist geliebten und geachteten Person sexuell missbraucht zu werden, macht es dem Kind nahezu unmöglich, sich einer dritten Person anzuvertrauen. Jungen können häufig noch mehr Schwierigkeiten haben, sich mitzuteilen. Bei einigen Jungen kann der Missbrauch zusätzlich mit einer Angst einhergehen, für homosexuell gehalten zu werden oder zu sein. Ein weiterer Grund für Kinder, die Erlebnisse für sich zu behalten, ist häufig die Androhung durch den Täter, das Kind werde im Fall der Offenbarung in ein Heim müssen, oder sich Strafen und Ärger einhandeln. Nicht selten sind Drohungen des Täters, sich selbst zu verletzen oder Suizid zu begehen, Vertrauenspersonen zu verletzen oder Haustiere des Kindes zu misshandeln.
Häusliche Gewalt meint physische, sexuelle, psychische, soziale und emotionale Gewalt zwischen erwachsenen Menschen, die in naher Beziehung zueinander stehen oder gestanden haben. Sie findet im vermeintlichen Schutzraum des eigenen zu Hause statt und wird meistens von Männern gegen Frauen ausgeübt (vgl. BIG e.V., 1997).
Kinder und Jugendliche sind indirekt mitbetroffen
Kinder und Jugendliche, die wiederholt ernste physische und psychische Gewalthandlungen gegen ihre Mutter, die von deren Beziehungspartner ausgingen, erlebt haben, sind in indirekter Weise ebenfalls betroffen von dieser Gewalt. Zusätzlich besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass bei Vorliegen häuslicher Gewalt auch die Kinder direkt misshandelt werden.
Misshandeltes Elternteil kann Schutz nicht sicher stellen
Kinder, die häusliche Gewalt erleben, sind darauf angewiesen, von au-ßen Schutz und Unterstützung zu erhalten. Die Verantwortung für den Schutz der Kinder kann nicht allein von dem misshandelten Elternteil getragen werden, da dieses selbst Opfer von Gewalt ist und den eigenen Schutz nicht sicherstellen kann.
Kinder erleben Misshandlungen der Mutter mit
Einzelne Studien aus England zeigen, dass bei 30-50% der Fälle, in denen die Mutter misshandelt wird, mindestens ein Kind ebenfalls vom Partner/Vater körperlich misshandelt wird oder sexuelle Übergriffe erlebt hat. 75% der Kinder hatten Misshandlungen der Mutter miterlebt, 66% mitgehört (vgl. Kavemann, 2000).