Gewaltbegünstigende Faktoren müssen immer in einem übergreifenden Rahmen betrachtet werden, wobei sie im gesellschaftlichen, sozialen, familiären und persönlichen Bereich auch ohne Auftreten von Kindesmisshandlung ganz allgemein die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen stark beeinträchtigen können. Die folgenden Risikofaktoren, die Gewalt gegen Kinder und Jugendliche begünstigen können, sind ausschließlich als Hinweisliste zu verstehen. Es kann keine Aussage darüber getroffen werden, inwieweit diese Faktoren im Einzelfall überhaupt oder aber mit welchem Gewicht zu Kindesmisshandlung beitragen können (vgl. Deegener/Körner, 2006).
Untersuchungen haben ergeben, dass folgende Faktoren das Risiko von Kindesmisshandlung erhöhen können - und zwar insbesondere dann, wenn sie mehrfach auftreten:
Mögliche Merkmale der Eltern:
- ungewollte Schwangerschaft
- große Kinderzahl
- frühe Mutterschaft
- Erziehungsstil geprägt durch Drohungen, Missbilligung, Anschreien
- eigene Gewalterfahrungen in der Kindheit
- Alkohol- und Drogenprobleme
- Psychische Störungen
- misshandelnde Eltern sind häufig depressiv
- negative Befindlichkeiten wie erhöhte Ängstlichkeit, emotionale Verstimmung sowie erhöhte Erregbarkeit, geringe Frustrationstoleranz, Reizbarkeit verbunden mit Impulskontroll-Störungen, Stress und das Gefühl der Überbeanspruchung
- überhöhte Erwartungen an die Kinder
- Befürwortung körperlicher Strafen
Mögliche Merkmale des Kindes:
- geringes Körpergewicht des Kindes oder starkes Übergewicht
- Auffälligkeiten in der körperlichen Entwicklung
- gesundheitliche Probleme, Entwicklungsverzögerungen
- Verhaltensprobleme
Mögliche Merkmale des sozialen Umfeldes:
- geringe finanzielle Ressourcen
- Arbeitslosigkeit bei Männern
- Wohngegend und Nachbarschaft mit hoher Gewalt- und Armuts-rate
- soziale Isolation, wenig Kontakte zu Verwandten
- wenig soziale Unterstützung
Mögliche kulturelle und gesellschaftliche Faktoren:
- Erziehungseinstellungen und -praktiken
- gesellschaftliche Verbreitung von Gewalt
Mögliche Faktoren, die insbesondere sexuelle Gewalt fördern, sind:
- Gleichsetzung von Männlichkeit mit Macht, Kontrolle und Dominanz
- sexuelle Aktivität als Gradmesser von Männlichkeit und psycho-sozialer Potenz
- Sexualisierung von Beziehungen, von Bedürfnissen und von Aggressionen
- Abwertung des weiblichen Geschlechts
- Verdrängung der Gefühlswelt
Die einzelnen Risikofaktoren dienen nur als Hinweisliste. Entscheidend ist auch, was die Beteiligten für Fähigkeiten und Kompetenzen mitbringen, die für das Gelingen oder Scheitern der Bewältigungsversuche äußerer Belastungen grundlegend sind. Dabei kann die Lebensgeschichte der Eltern mit ihren sozialen und emotionalen Erfahrungen in der eigenen Kindheit eine ausschlaggebende Rolle spielen.